2017, Konzerte

Carmina Burana

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Carmina Burana von Carl Orff
in der Fassung für Soli, Chor, zwei Klaviere und Schlagzeug
in der Alten Reithalle Aarau
als Eröffnung der Sommersaison des Theaters Tuchlaube

zusammen mit dem Chor der Alten Kantonsschule Aarau
Amelia Scicolone (Sopran), Joaquín Asiáin (Tenor), Michel Anner (Bariton)
Tomas Dratva und Ludovic van Hellemont, Klavier
Schlagzeuger des argovia philharmonic

Michael Schraner, Leitung

Carl Orffs „Carmina Burana“ gehört zweifellos zu den faszinierendsten und zugleich erfolgreichsten Musikwerken des 20. Jahrhunderts. Damit eröffnete der Chorleiter und Schulmusiker Michael Schraner am 13. und 14. Mai spektakulär die Sommersaison 2017 in der Alten Reithalle Aarau, zusammen mit dem Chor der Alten Kantonsschule, dem Kammerchor C21, Solisten, zwei Pianisten und den Schlagzeugern von argovia philharmonic.
Orffs Komposition beruht auf einer gleichnamigen mittelalterlichen Text- und Liedsammlung, die im 13. Jahrhundert im süddeutschen Raum niedergeschrieben und im Kloster Benediktbeuren in Oberbayern entdeckt wurde. Trotz ihres geistlichen Ursprungs feiern die Gesänge durchaus auch den weltlichen Lebensgenuss mit blasphemischer Tendenz. Sinnenfrohe, teils derb-obszöne Lieder wechseln sich mit ernsten weltlichen oder geistlichen Texten ab. Im Nebeneinander von derbem Spaß und hohem sittlichem Ernst zeigt sich ein ganzheitlicher „Wille zu leben“. Das Werk ist damit nicht nur ein anschauliches Zeitzeugnis mittelalterlichen Lebensgefühls, sondern auch ein Spiegelbild der menschlichen Seele jenseits aller zeitlichen Eingrenzung. Die spezielle Akustik der Alten Reithalle ermöglichte ein theatralisch und musikalisch einmaliges Gesamterlebnis, in dem sich das Publikum inmitten eines voluminösen Klangkörpers befand.

Carl Orff (1895–1982) sah sich als Komponist des lebendigen Theaters. Theater verstand der Münchner vor allem als theatrum mundi, als Welttheater, das seine Wurzeln in der Antike hat und die ganze Welt als Bühne sieht, auf der die Menschen agieren. In Orffs eigenem »Welttheater« versammeln sich vier große Werkkomplexe: die ludi scaenici (Spielszenen), die Märchenstücke, das Bairische Welttheater und die Griechendramen. Hinzu kommt das Orff’sche Schulwerk, das weltweit die Musikpädagogik beeinflusste.

Carl Orff traf für die »Carmina Burana« eine Auswahl von 24 Gesängen. Der bekannte Fortuna-Chor bildet als Einleitung und Schluss gleichsam den Rahmen des gesamten Werks. Denn alles, was geschieht, geschieht im Namen der Fortuna, jener Glücks- und Schicksalsgöttin, deren Rad das Auf und Ab im Lebensgang der Menschen symbolisiert. Die Gesänge sind in vier Abschnitte unterteilt: Primo vere (Frühling), Uf dem anger (Auf dem Anger), In taberna (In der Schenke), Cour d’amour (Liebesreigen). Die „Carmina Burana“ sind „ein Hymnus an die Lebenslust, eine chorische Frühlings- und Liebesfeier, ein Lobgesang auf die freudenreiche Welt“, so der Kritiker Karl Heinz Ruppel.

Orffs Musik folgt einfachen Melodie- und Rhythmusprinzipien. Sie vermeidet komplexe Polyphonie, also Mehrstimmigkeit, strebt eine eingängige Melodik an, betont in den Chorsätzen das Deklamatorische, verschmäht aber auch nicht die Wirkung arienhafter Sologesänge. Der beabsichtigte Primitivismus im Melodischen und Rhythmischen ist bei aller sorgfältigen Differenzierung Ausdruck des Kultischen und Volkstümlich-Tänzerischen. Vielleicht ergibt der überzeitliche Bezug, der aus dieser mittelalterlichen Lebenswelt erwächst, in Verbindung mit der orchestralen Archaik jene Mischung, die ein Meisterwerk wie die »Carmina Burana« entstehen ließ.